Im 17. und 18. Jahrhundert war die mitteldeutsche Musikkultur durch einen besonderen Reichtum an stilistischen Mischungen gekennzeichnet – Georg Philipp Telemann sprach in diesem Zusammenhang von einem „klüglichen Gemenge“, die moderne Kulturwissenschaft nennt es Hybridisierung. Das bis in die kleinsten Dörfer reichende Netz des lutherischen Kantoreiwesens, die komplexen dynastischen Beziehungen – die auch einmal dazu führen konnten, dass eine Zerbster Prinzessin Zarin von Russland wurde –, die kleinstaatliche Dichte der Kulturstätten in der Region: all diese Faktoren beförderten eine einzigartig differenzierte Musikkultur, ein cultural web, das Vorbildcharakter für ganz Deutschland hatte. Nicht ohne Grund wurde die moderne Kirchenkantate in Mitteldeutschland erfunden, nicht ohne Grund waren es Musiker dieser Region, die die bedeutendsten Musikerstellen in Deutschland besetzten und oft genug auch im Ausland reüssierten.
Auch die MBM formiert in dem Bewusstsein, dass nur durch Vermittlungen, Brückenschläge und kluge Mischungen Neues entstehen kann, ein cultural web ganz eigenen Zuschnitts: Einmalig ist die musikbezogene Zusammenarbeit zwischen den drei Ländern und dem Bund in dieser Institution, einmalig die enge Verknüpfung zwischen den musikwissenschaftlichen Forschungs-einrichtungen, den Musikarchiven, den ausübenden Musikern und den verschiedenen lokalen und regionalen Kulturinstitutionen, einmalig die Zielsetzung, den Reichtum der mitteldeutschen Barockmusik durch die Erschließung und Bewahrung ihrer musikalischen Denkmäler wie auch durch eine Neubelebung ihrer Gedächtnisorte in Konzerten und Festivals zu vergegenwärtigen und so eine klingende Topographie der barocken Musikkultur als Identifikationsangebot für die Menschen unserer Zeit entstehen zu lassen.
Das Netz, das die MBM im Laufe ihres Bestehens geknüpft hat, ist
heutzutage von einer kaum überschaubaren Vielgestaltigkeit und Dichte.
Dass es nicht ausfranst und ein tragfähiges Gewebe bildet, ist vor allem
der Arbeit der Geschäftsführung zu danken, die von der Gründung bis
2008 Claudia Konrad innehatte, seitdem durch Christina Siegfried
wahrgenommen wird und über
die gesamten Jahre hinweg von Romy Hage
mitgetragen worden ist. Die Geschäftsführerin und ihr Team sorgen für
die Verknüpfungen, durch den der zwischen der Vergangenheit der
Barockzeit, unserer Gegenwart und einer stets offenen Zukunft ausgelegte
Teppich der MBM zusammengehalten wird. Hoffen wir, dass noch viele
kommende Generationen an seinem schillernden
Farben- und Gestaltenreichtum und seiner schier unerschöpflichen Dichte und Fülle Freude finden werden.
© Mitteldeutsche Barockmusik in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen e.V.